Gegenseitige Ermöglichung von Freiheit – Autonomie in tragfähigen Bezügen; Entscheidungen berücksichtigen Folgen für andere und Mitwelt.
Definition
Interdependenz beschreibt die gegenseitige Ermöglichung von Handlungsfähigkeit: Autonomie entsteht in verlässlichen Bezügen – nicht gegen sie. Wer entscheidet, handelt adressierbar: Gründe werden so vorgetragen, dass Betroffene (Menschen und Mitwelt) mitgemeint und mitbedacht sind. Interdependenz ist damit eine Bezugsethik: Sie verbindet individuelle Freiheit mit Verantwortung für Nebenfolgen in sozialen und ökologischen Systemen.
Abgrenzung
Interdependenz ist nicht Kollektivismus: Das Individuum wird nicht untergeordnet, sondern bleibt begründungspflichtig frei.
Interdependenz ist nicht atomarer Individualismus: Beziehungen sind keine bloßen Mittel, sondern Bedingungen gelingender Autonomie.
Pragmatische Maxime: So frei wie möglich, so bezogen wie nötig – und beides regelmäßig prüfen.
Arbeitsgriff: Interdependenz-Index (IDI)
Um Interdependenz praktisch zu beobachten, hilft ein einfacher Engpass-Indikator:
IDI = min(Autonomie, Verbundenheit) × 2
Praxis-Implikationen (komplexitätstauglich)
- Rituale statt Kontrolle: Kleine, wiederkehrende Koordinationsrituale senken Reibungskosten.
- Konsent statt Konsens: „Kein schwerwiegender Einwand“ – schnell genug, legitim genug.
- Suffizienz als Rationalität: Externe Kosten sind reale Wirklichkeiten; Ressourcenachtsamkeit ist Vernunft, kein Moralismus.
- Würdewahrende Kritik: Klarheit und Gesichtswahrung erhöhen Begründungsfähigkeit und Lerntempo.
Kurzformel zum Mitnehmen
Diagnose: Interdependenz = Autonomie × Verbundenheit (begrenzt durch die schwächere Seite).
Intervention: Immer zuerst den Engpass anheben – dann alles andere.
Merksatz:
Erhöhe deine Interdependenz: Kalibriere Autonomie mit Verbundenheit – durch leichte Rituale, begründungsfreundliche Kritik, kreisförmige Entscheidungen und suffiziente Praxis.
Verwandte Begriffe
Bezugsethik; Konsent; Suffizienz; Resonanz; Commons; Verantwortungszuschreibung; Systemkompetenz.